02 Apr Feldforschung in Plovdiv-Stolipinovo
#togehter so heißt das Motto der Kulturhauptstadt 2019, Plovdiv. Die Stadt liegt im Herzen Bulgariens und gehört zu den ältesten Städten Europas. Es leben circa 370.000 Menschen in der Stadt. Der Region geht es, für bulgarische Verhältnisse, gut und zahlreiche Industrieunternehmen sind in und um Plovdiv ansässig. Zu Plovdiv gehört auch der Stadtteil Stolipinovo, in dem rund 40.000 Menschen leben, was rund 20% der lokalen Bevölkerung ausmacht. Der Stadtteil ist zugleich der größte mehrheitlich von Roma bewohnte Stadtteil der Europäischen Union und gezeichnet von hoher und sogar teils absoluter Armut. Von dort aus migrieren relativ viele Menschen, zumindest temporär, nach Deutschland und vor allem in ins Ruhrgebiet. Im April 2019 werde ich mit einer Gruppe von Studierenden der FH Münster Stolipinovo genauer untersuchen.
Im Rahmen des gut zehntägigen Aufenthalts in Plovdiv werden wir uns drei Themen widmen. Das erste befasst sich mit transnationalem Familienleben wobei konkret drei Studien parallel umgesetzt werden. Erstens replizieren wir die Studie von Dreby und Adkins (2012), welche die Familienvorstellungen von Kindern aus transnationalen Familien in Mexiko untersuchten. Dazu sollen Grundschulkinder aus dem Stadtteil ihre Vorstellungen über Familie malen. Die Bilder werden, in Kombination mit Kurzinformationen zu den Kindern und ihren Familien, anschließend ausgewertet. Dadurch erhalten wir Einblicke in transnationale Familienvorstellungen von Kindern aus Stolioinovo. Eine weitere Teilstudie hat Eltern zur Zielgruppe. Diese sollen, mittels reflexiver Autofotografie, zu Familienorten im Stadtteil befragt werden. Drittens werden teilnehmende Beobachtungen von Orten im Stadtteil unternommen, an denen sich Familien vermehrt aufhalten.
Das zweite Thema ist Diskriminierung. Hier vergleichen wir die Perspektive von Bewohnern Stolipinovos auf ihren Stadtteil und auf Roma mit der Sichtweise von Bewohnern anderer Stadtteile auf Stolipinovo und Roma. Der analytische Hintergrund ist die Theorie der Etablierten-und-Außenseiter-Beziehungen von Elias und Scotson. Hier werden sowohl systematisch Diskriminierungserfahrungen gesammelt, als auch sie in einen gruppenbezogenen Zusammenhang gebracht.
Das dritte Thema sind Armutserfahrungen und wie mit ihnen umgegangen wird. Ausgehend von der Theorie der relativen Deprivation möchten wir untersuchen, ob sich Menschen in Stolipionovo selbst als arm begreifen und wie sie mit der schwierigen Situation vor Ort umgehen. Hierbei werden unterschiedliche Armutsdimensionen, wie Einkommen, Arbeit, Bildung aber auch Gesundheit und Ernährung abgefragt. Die Ergebnisse werden uns einen Einblick liefern, wie Armut in Stolipionovo erlebt und mit ihr umgegangen wird. Auch hier werden teilnehmende Beobachtungen durchgeführt, vor allem in den Marktstraßen des Stadtteils.
Um die Arbeit so transparent wie möglich zu gestalten und laufend Einblicke in den Forschungsprozess zu geben, werden ab dem 4. April 2019 Eindrücke aus Plovdiv gepostet und im Herbst 2019 auch die Ergebnisberichte der Forschung auf einem Projektblog veröffentlicht. Zudem werden Eindrücke aus dem Feld und der Erhebung auf Twitter und Instagram gepostet.
Literatur
Dreby, J., & Adkins, T. (2012). The strength of family ties: How US migration shapes children’s ideas of family. Childhood, 19(2), 169–187.
Siehe auch:
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