11 Apr Detroit: Wie es zum „Niedergang“ kam
Detroit hat heute etwa 700.000 Einwohner, liegt im südöstlichen Michigan und grenzt direkt an Kanada. Wie viele andere Städte im „Rust Belt“ hat die Deinsturialisierung Detroit besonders hart getroffen. Bekannt wurde Detroit sowohl durch die Automobilwerke, aber auch durch seinen Bankrott im Jahr 2013. Von Januar bis Mai 2016 hatte ich die Gelegenheit als Visiting Scholar am Department of Urban Planing and Studies der Wayne State University Detroit zu forschen. Während meiner Zeit in Detroit habe ich einigen über die Stadt gelernt, deren „Niedergang“ und unterschiedliche Arten der Revitalisierung viele fasziniert. Im Folgenden möchte ich einen Überblick zu verschiedenen Entwicklungen und Hintergründen in Detroit geben, die zum „Niedergang“ führten.
Bereits vor über 300 Jahren wurde Detroit an der verkehrsgünstigen und strategischen Lage zu Kanada gegründet. Durch die Nähe zu den Seen Huron und Erie entwickelte sich dort bereits die Schifffahrtsindustrie. Die ersten Großunternehmer in Detroit bauten keine Autos, sondern Boote. Allerdings wurde damit der Grundstein für die spätere Entwicklung der Autoindustrie gelegt. Wissen über Motoren und die Verarbeitung von Stahl sowie Fachkräfte lebten in der Stadt. Rahmenbedingung, die der Entwicklung des Autos zuträglich waren. Henry Ford war es dann, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem kleinen Werk in der Piquette Avenue, in der Nähe des Campus der Wayne State University, das Modell T produzierte und damit die Massenproduktion von Autos begann. Es war allerdings nicht nur Ford, sondern auch andere Firmen wie Chrysler oder Pontiac die sich in Detroit ansiedelten, genauso wie eine immense Zulieferindustrie.
Die Industrie boomte und die Stadt wuchs. Der Wohlstand der damaligen Zeit lässt sich noch heute an den prächtigen Gebäuden der 1920er Jahre ablesen. Doch sowohl die Arbeiter als auch die Industrie hatte ein Platzproblem und so begann sich die Stadt auch in die Weite auszudehnen und immer neue und immer größere Industrieanlagen entstanden. Ford schloss bald das erste Werk und baute ein größeres in Highland Park. Zwar gab es in späten 1920er und frühen 1930er Jahren durchaus wirtschaftliche Probleme, doch wurden diese mit dem Kriegseintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg wieder gelöst. In Detroit wurde Kriegsmaterial gebaut und Präsident Franklin D. Rossevelt nannte die Stadt auch das „Arsenal der Demokratie“.
Doch bald nach Kriegsende wurden Überkapazitäten abgebaut und Arbeiter verloren ihre Anstellung. Zugleich wurde der Autobau zunehmend automatisiert. Ford entschloss sich dazu wieder ein neues Werk zu bauen und das nicht in Detroit, sondern im benachbarten Dearborn (der Heimatstadt von Henry Ford). Andere Autobauer, wie z.B. Packard, stellten ihren Betrieb ein oder wurden von Konkurrenten übernommen. Dabei wurden riesige Industrieruinen zurückgelassen, die noch heute zu sehen sind. Ein Unterschied vom amerikanischen zum deutschen Recht hat sich dabei besonders ausgewirkt. Wenn eine Firma oder Privatperson ein Gebäude verlässt oder insolvent geht, besteht nicht mehr unbedingt eine Verantwortung für dieses. Auch Kredite waren, und sind es zum Teil immer noch, nicht an die Person, sondern an das Land gebunden. Das ist einer der Gründe, wieso heute in Städten wie Detroit viele Häuser leer stehen oder Ruinen sind.
Der Wirtschaft in Detroit war es nur bedingt gelungen sich zu diversifizieren und der homogene Wirtschaftszweig der Autoindustrie verließ die Stadt und mit ihm der Wohlstand. Mit dem Niedergang und Abwanderung der Autoindustrie begann daher auch der als „Niedergang“ bezeichnete Prozess der Entwicklung der Stadt. Ebenso zogen vermehrt (weiße) Bewohner in die Vorstädte, da nun dort die Arbeitsplätze waren. Zurück blieben vor allem arme afro-amerikanische Bewohner. Detroit schrumpfte so binnen 60 Jahre von rund 1.850.000 Einwohner im Jahr 1950 auf rund 700.000 Einwohner im Jahr 2013, was einem Bevölkerungsrückgang von 62,2% entspricht.
Alles in allem sind die Gründe für den „Niedergang“ der Stadt ein homogener und zugleich dominierender Wirtschaftszweig der Automobilindustrie, rechtliche Rahmenbedingungen sowie der Abbau von Überkapazitäten nach dem Kriegsende.
Weiterführende Literatur zu Detroit:
Galster, G. (2012). Driving Detroit. The Quest for Respect the Motor City. Philadelphia: University of Philadelphia Press.
Kullmann, K. (2012). Rasende Ruinen. Wie Detroit sich neu erfindet. Berlin: Suhrkamp
Martelle. S. (2012). Detroit. A Biography. Chicago: Chicago Review Press.
Siehe auch:
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