15 Apr Die Vielfalt von Stolipinovo
Heute verbrachten wir den vierten Tag in dem Youth Club der NGO, um weiterhin Familienbilder von Kindern malen zu lassen. Auffällig war, dass sich mittlerweile im Malablauf verschiedene Regelmäßigkeiten zeigten. Unter anderem malen fast alle Kinder zuerst eine grüne Wiese, ein Haus mit einem spitzen roten Dach und eine Sonne in die rechte oder linke Ecke des Bildes. Erst sobald die eigene Familie gemalt wird, zeigen sich diverse Unterschiede.
Die Kinder, die nicht zur Schule gehen, zeigen oftmals Schwierigkeiten dabei, überhaupt etwas zu malen und versuchen dann, sich etwas bei ihren Freunden oder Sitznachbarn abzuschauen. Die Vielfältigkeit der Sprachen, die die Kinder sprechen bedeuten für die Dolmetscher eine große Herausforderung. Gesprochen wird oftmals Türkisch, Romanes oder Bulgarisch, wobei Bulgarisch die Sprache ist, die die Dolmetscher einwandfrei verstehen und in der sie auch den Kindern den Arbeitsauftrag erteilen. Zumeist helfen andere Kinder beim Übersetzen, wenn es Kinder gibt, die nur schlecht oder gar kein Bulgarisch sprechen. Doch wissen wir dadurch nie, ob diese Kinder den Arbeitsauftrag wirklich verstanden haben. Oftmals sieht man jedoch, dass die Kinder, die nicht zur Schule gehen, sich schwer damit tun, überhaupt etwas auf das Papier zu bringen. Natürlich freuen wir uns dennoch über jedes Bild, das von einem Kind im Rahmen unseres Projektes gemalt wird.
Es hat sich im Verlauf der Tage herausgestellt, dass es schwierig ist, kontinuierlich neue Kinder in den Youth Club einzuladen, um an der Erhebung zu partizipieren. Deshalb versuchten wir, durchgehend Kinder und Jugendliche zu motivieren, uns neue Kinder aus der Umgebung für unser Projekt zu gewinnen. Zusätzlich gingen wir selbst in den Stadtteil, um unter anderem Eltern anzusprechen, die oftmals aber ablehnten. Um dennoch genügend Bilder zu generieren, beschlossen wir Kontakt zu einer Schulleiterin in einer gegenüber der NGO liegenden Schule aufzunehmen. Über eine Dolmetscherin, die dort selbst auch Workshops gibt, haben wir nun die Möglichkeit morgen in die Schule in den Kunstunterricht zu gehen. Dadurch erhoffen wir uns am letzten Tag noch einmal eine größere Anzahl an Teilnehmern.
Während einer längeren Mittagspause bietet sich immer ein Spaziergang in Stolipinovo an. Dabei ergibt sich die Möglichkeit, die Vielfältigkeit von Stolipinovo und seinen Einwohnern zu bewundern. Beim Gang durch die verschiedensten Gässchen, gesäumt von Marktständen und Wohnhäusern, läuft einem das ein oder andere Mal ein Straßenhund oder eine Straßenkatze über den Weg, geschäftig auf der Suche nach Futter. Auffällig dabei ist immer wieder die Scheu, die die Tiere vor den Menschen haben. Bei schönem Wetter sind die Straßen und Gässchen voller Menschen, die verschiedene Waren verkaufen oder vor ihren Häusern sitzen. Bei schlechtem Wetter wirken viele Gassen wie ausgestorben, diverse Läden bleiben einfach geschlossen.
Was mir als Frau immer wieder auffällt, wenn ich in Stolipinovo in männlicher Begleitung unterwegs bin, ist, dass ich oftmals gar nicht angeschaut werde oder nicht mit mir, sondern ausschließlich mit meiner Begleitung geredet wird. Es ist ein sehr fremdes Gefühl, als wäre ich unsichtbar. Bin ich allein unterwegs, habe ich allerdings das Gefühl, dass ich überall sehr intensiv angeschaut werde, besonders von Männern. Es ist eine ganz andere Mentalität, der man in Stolipinovo begegnet.
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